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Rechtsanwalt Münster - Ralf Strecker


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Jede Sparkasse ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Die Sparkassen haben nach § 2 Spk NW (Sparkassengesetz Nordrhein-Westfalen) die Aufgabe, der geld- und kreditwirtschaftlichen Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft zu fördern. Ob die Maßnahme der Sparkasse rechtmäßig ist, hängt davon ab, ob die Grundrechte der Sparer mittelbar oder unmittelbar beachtet wurden. Umstritten ist, inwiefern die Drittwirkung der Grundrechte (Einflussnahme auf Rechtsbeziehungen) mittelbar oder unmittelbar zu beachten ist. Bei einer unmittelbaren Drittwirkung erfolgt eine Prüfung, ob die Kündigung eines S-Prämiensparvertrages mit der Gewährleistung der Grundrechte direkt vereinbar ist. Bei einer mittelbaren Drittwirkung werden solche abstrakten Rechtsbegriffe in gesetzliche Vorschriften – zum Beispiel “gute Sitten” in § 138 BGB oder “gesetzliches Verbot” in § 134 BGB oder “Treu und Glauben” in § 242 BGB – so ausgelegt, dass der Kerninhalt der Grundrechte erhalten bleibt. So ist zum Beispiel eine Maßnahme, die das Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 GG), auf Handlungsfreiheit (Art. 2 GG) oder gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) verletzt, unvereinbar mit den “guten Sitten” nach § 138 BGB, “ein gesetzliches Verbot” nach § 134 BGB oder der Ausübung einer Vertragspflicht nach “Treu und Glauben” entsprechend § 242 BGB. Im Ergebnis kommt es auf den Streit unter “Gelehrten” nicht an, wenn die Sparkasse die Grundrechte der Sparer gefährdet hat.

So stellte das VG Göttingen fest, im Bereich staatlicher Daseinsvorsorge ist die Sparkasse Teil der vollziehenden Gewalt und unmittelbar an die Grundrechte gebunden (vgl. zum Beispiel die Feststellungen des VG Göttingen v. 30.09.2004, Az..4 B 116/04 ). Solche Einrichtungen sind verpflichtet, die Einhaltung der Grundrechte bei der Ausübung ihrer Geschäftstätigkeit zu beachten.

Prof. Dr. Dres. H.c. Paul Kirchhof, u. a. Richter des Bundesverfassungsgerichts in der Zeit von 1987 – 1999, im Buch “Geld im Sog der Negativzinsen“, 2021 Verlag C. H. Beck oHG, ISBN 978 3 406 77869 8, definiert das von Art. 14 GG (Grundgesetz) geschützte Eigentum auch als das sogenannte “Spareigentum”. Gemeint ist damit das Recht, sein Vermögen in einer frei gewählten Form nutzen zu dürfen. Für vorsichtige Sparer, die ihr Geld nicht in risikobehaftete Vermögensanlage investieren wollen, sind solche Anlageoptionen das festverzinsliche Sparbuch, das Girokonto, zeitlich bestimmte Sparverträge mit einer Zins- und Prämienregelung (S-Prämiensparverträge flexibel).

Wird eine solche Anlageform gekündigt, verliert der Sparer das Recht, sein “Spareigentum” (Artikel 14 GG) in der von ihm in freier Entscheidung (Art. 2 GG/allgemeine Handlungsfreiheit) gewählten Form zu nutzen. Im Vergleich zu anderen, die ihr Vermögen anders, aber auch in freier Selbstbestimmung nutzen, zum Beispiel Aktienbesitzer, erleidet der vorsichtige Sparer eine Ungleichbehandlung. Er wird durch faktischen Zwang, zum Beispiel der Kündigung, verbunden mit der Alternative der Fortführung des Vertrages unter der Prämisse einer Zusatzvereinbarung über ein Verwahrungsentgelts, im Vergleich gegenüber anderen Geldnutzers in der freien Selbstbestimmung schlechter behandelt. Prof. Dr. Dres. H.c. Paul Kirchhof vertritt den Standpunkt, dass die Europäische Zentralbank nur solche Maßnahmen ergreifen darf, die die Stabilität der Euro-Währung dienen, aber es ihr mangels gesetzlicher Zuständigkeit verwehrt ist, solche Maßnahmen zu ergreifen, die in die Grundrechte der Sparer eingreifen. Davon geht er aus, wenn das gewählte Sparmodell durch die negative Zinspolitik der EZB faktisch, aus Gründen der ökonomischen Vernunft, unterbunden wird. Die Geschäftsbanken (Sparkassen) wurden als “Verwaltungshelfer” der EZB agieren.

Bezogen auf die Kündigung der S-Prämiensparverträge oder auch sonstige Geschäftsbeziehungen zu der Sparkasse liegt ein rechtswidriger Eingriff in die Rechte der Sparer und Kunden der Sparkassen vor. Wer sich dagegen zur Wehr setzen möchte, sollte auf anwaltliche Unterstützung nicht verzichten. Die Erfolgsaussichten einer Klage sind gegeben. Bisher hat die Rechtsprechung die Verfassungswidrigkeit/Verfassungsmäßigkeit der Kündigung nicht berücksichtigt.